WITCH


Fotografie  2025 


inspiriert vom ZEITmagazin Artikel:  
„Meine Urahnin wurde als Hexe verbrannt – was verbindet mich mit ihr“ 
(ZEIT-magazin Nr. 11, 13.03.2025)  von Juliane Schiemenz.
Die dreiteilige fotografische Illustration begleitet den persönlichen Essay über weibliche Herkunft, Erinnerung und die Projektion historischer Gewalt in die Gegenwart. Die Bilder bewegen sich zwischen Inszenierung und Symbolik und greifen visuelle Motive des Alterns und der Resilienz auf. Momente des Haareschneidens, des Sich-Häutens sowie der Krähenfußverstärkung durch ‚falsches Make-Up‘ schlagen eine poetische Brücke zwischen der Geschichte der als Hexe verbrannten Ahnin und der Identitätsfrage der Autorin (Juliane Schiemenz) heute.

Die Farbgebung knüpft an den im ZEIT-Magazin verwendeten Ansatz an: ein dunkles Lila, das Spiritualität, Melancholie und feministische Symbolik trägt. In meiner Arbeit verschiebt sich dieses Violett – inspiriert von unkonventionellen Pop-Referenzen wie Agatha all along – hin zu einem grünen Spektrum, das stärker in kollektive Vorstellungen von Hexerei eingeschrieben ist. 







Die Bewegung von Lila zu Grün markiert zugleich den Übergang von einem eher intellektuellen, distanzierten Symbolismus hin zu einer körperlichen, erdnahen und aufgeladenen Bildsprache.

Grün operiert im kulturellen Imaginären als ambivalente Signatur – zwischen Naturhaftigkeit, Affekt und Erkenntnis. In der Populärkultur wird es nicht nur zur Chiffre unkontrollierter Emotionen (Hulk), sondern auch zur visuellen Markierung weiblicher Abweichung: In Wicked wie zuvor in The Wizard of Oz erscheint die Hexe grün – ein Körper, der aus dem Farbspektrum der Norm herausfällt, fremd, gefährlich, zu nah an der Erde, an der Wahrheit.
Historisch galt Grün im Kontext der Hexenverfolgung als unheimliche Farbe: zu lebendig, zu wenig kontrollierbar. Die grüne Hexe verkörpert eine Figur des Widerstands – gegen das Patriarchat, gegen religiöse Machtstrukturen, gegen das normierende Sprechen über Weiblichkeit.

So wird Grün zur Farbe eines Erinnerns jenseits des Archivs – ein Widerstand in Pigmentform, eine visuelle Rehabilitierung der als Hexe verfolgten, ausgeschlossenen Körper.
Die fotografische Umsetzung erfolgt zum Teil mit einer Tilt/Shift-Optik – einem Werkzeug aus der Architekturfotografie, das hier bewusst zweckentfremdet wird. Durch die gezielte Verschiebung der Schärfeebene entsteht eine kontrollierte Irritation, die den Blick lenkt, aber auch unterläuft – wie ein bildnerisches Echo auf das Verschobene, Ausgeblendete, das die Figuren und Themen meiner Arbeit durchzieht.

Die Fotos verstehen sich nicht als Illustration im engeren Sinne, sondern als visuelle Erweiterung des Textes – atmosphärisch, mehrdeutig, offen für eigene Assoziationen.
Die Auseinandersetzung mit dem Thema hat mich zu einer eigenen Reflexion geführt:
Was bedeutet „Hexe“ heute – im Alltag, in der Arbeit, im eigenen Körper?
Je tiefer ich eingestiegen bin, desto deutlicher wurde, wie aktuell und vielschichtig das Bild ist.
Aus der ursprünglichen Serie von drei Fotografien wurden sechs – jedes Bild ein anderes Echo dieser Fragen:
zwischen Selbstbehauptung und Projektion, Verletzlichkeit und Widerstand, Macht und Sichtbarkeit.
HEXEN IM FEED — EINE BESTANDSAUFNAHME

Die Hexe ist zurück – nicht aus dem Wald, sondern aus dem Feed.
Sie zeigt sich, spricht, wird gehört – und wieder verfolgt.
Diesmal nicht mit Fackeln, sondern mit Sprache, Algorithmen und struktureller Gewalt.

Femizide sind keine Metapher. Frauen werden ermordet, weil sie Frauen sind – weil sie sich entziehen, widersprechen, leben. Jede Zahl steht für ein Systemversagen, jede Schlagzeile für ein Leben, das hätte geschützt werden müssen.

Auch die Sprache der Medien trägt dazu bei. Noch immer werden Täter in Überschriften verharmlost, Opfer hinterfragt, Verantwortung verschoben. Die Opfer-Täter-Umkehr bleibt Teil der Erzählung: Frauen müssen sich rechtfertigen, erklären, beweisen, dass sie wirklich Opfer sind.

Parallel dazu wächst eine digitale Kultur der Entmenschlichung. In sozialen Netzwerken werden Frauenkörper sexualisiert, Weiblichkeit zur Ware. Influencer und sogenannte „Manfluencer“ reproduzieren Rollenbilder, die Macht als Männlichkeit inszenieren. In geschlossenen Online-Gruppen werden Strategien geteilt, wie Frauen kontrolliert, herabgewürdigt oder missbraucht werden können. Das sind keine Einzelfälle – das sind digitale Hexenjagden.

Die Mechanismen sind alt, nur die Plattformen neu.
Die Hexe verweigert diese Logik.
Sie benennt, was sichtbar werden muss.
Nicht als Mythos, sondern als Tatsache.
Nicht als Symbol, sondern als Widerstand.
Auch das Kinderkriegen ist in diesem Zusammenhang politisch.
Mutterschaft ohne Mann – als bewusste Entscheidung und als Akt der Selbstbestimmung – widerspricht der tradierten Erzählung, in der Abhängigkeit als Natürlichkeit gilt.
Während Online-Bewegungen wie „trad wife“ die Rückkehr zur häuslichen Unterordnung romantisieren, wächst zugleich ein gesellschaftlicher Backlash gegen Frauenrechte: Selbstbestimmung wird wieder verhandelt, Freiheit diffamiert, Sorgearbeit verklärt.

Eine Frau, die sich aus toxischen Beziehungen löst, trägt oft lange an den unsichtbaren Formen von Gewalt, die danach bleiben – psychisch, emotional, subtil, aber wirksam.
Diese Gewalt ist selten laut, aber sie hält an. Sie frisst Zeit, Energie, Selbstwert.
Sie ist strukturell und persönlich zugleich – ein Mittel, um Autonomie zu bremsen.

Sich davon zu lösen, ist kein Bruch mit Weiblichkeit, sondern ihre radikalste Form:
zu wählen, zu schützen, zu bestehen – ohne weiter zu ertragen.
   


witch

 
schwester

 
veterinär

 
geigenbauer

 
humans to
admire
 
still lives of
a mother
 
 cemetery

 
old shells

 
pampers
manifesto
 
publikationen

 
short bio
kontakt

  
home