veterinär (oder schmerz ist subjektiv)
Narrativ 2005 - 2015
Die Tierarztdokuserie begleitet Dr. Josef Frei in seiner Praxis im steirischen Stein an der Enns und hin zu den Höfen der umliegenden Gemeinden – ein Wechselspiel zwischen der Intimität von Kleintieren und der Schwere der Großtierhaltung. In der Praxis ist er der vertraute Ansprechpartner für verletzte Katzen, Vögel und Kaninchen; außerhalb, auf duftendem Heuboden, kümmert er sich um Kühe, Pferde und Schweine der Landwirte. Zwischen regelmäßigen Lebensmittelkontrollen vor und nach Schlachtungen und der unbegründeten Dringlichkeit nächtlicher Notrufe teilt Dr. Frei sein Leben in Zweiwochen-Schichten: Eine Dauerbelastung, der sich freie Wochenenden nur selten entziehen.
Durch die Linse entdecke ich, wie Schmerzenslaute auch emotional spürbar werden – in einem leisen Wimmern eines verunglückten Kalbes ebenso wie im aufmerksamen Blick einer Katze, die sich an Dr. Freis Hand anschmiegt. Hier verdichten sich Fragen: Ist Schmerz etwas, das wir in den Körper hineintragen oder das wir in ihm auslösen? Wie entstehen Bindungen zwischen Menschen und Tieren, wenn Zuneigung in der einen Sekunde Trost spendet und in der nächsten das Skalpell Präzision einfordert?
Und schließlich die große Frage: Wem gehören wir uns letztlich an? Dienen wir aus Liebe, wenn wir ein krankes Tier stundenlang sanft stützen? Dienen wir aus Hunger, wenn wir dasselbe Lebewesen später als Lebensmittel betrachten? Dr. Frei bewegt sich mühelos zwischen diesen Extremen – er tröstet, diagnostiziert, heilt und verabschiedet. In seinem Dasein, das sich so untrennbar mit den Körpern anderer Lebewesen verwebt, zeigt sich die widersprüchliche Schönheit des Mitgefühls und die stille Härte des Lebenskreislaufs.
Kommt es aus dem Körper oder in den Körper?
Wen eigenen wir uns letzten Endes wie an? Aus Liebe? Aus Hunger?